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Stellungnahme der DGfS zu Gebärdensprachen
Die Deutsche Gesellschaft für Sprachwissenschaft (DGfS) bekräftigt hiermit, dass die innerhalb der Gehörlosengemeinschaft gebräuchlichen Gebärdensprachen vollwertige eigenständige Sprachen sind, die in ihrer strukturellen Komplexität und Vielfalt des Ausdrucks gesprochenen Sprachen in Nichts nachstehen. Sie besitzen regelgebundene Systeme der Artikulation, Flexion, Wortbildung, Satzstruktur und Bedeutung, die seit den wegweisenden Arbeiten William Stokoes (1919 – 2000) vor über 40 Jahren Gegenstand der modernen linguistischen Forschung sind. Gebärdensprachen sind keinesfalls ein System formloser Gesten, noch sind sie eine gebärdete Version existierender gesprochener Sprachen. Die Deutsche Gebärdensprache (DGS), die Sprache der Gehörlosen in Deutschland, ist weder historisch noch strukturell von der deutschen Lautsprache abgeleitet. DGS ist außerdem sprachliches Ausdrucksmittel einer eigenen Gehörlosenkultur und Medium einer visuellen Literatur.
Die DGfS fordert für Gebärdensprachen alle Rechte und Privilegien, die auch gesprochenen Sprachen zuerkannt werden, einschließlich dem Recht, Fremdsprachenanforderungen in akademischen Studiengängen zu erfüllen, wie es auch Englisch, Spanisch, Chinesisch oder jede andere gesprochene Sprache tut. Da die sprachliche Kommunikation in der eigenen Muttersprache ein natürliches Recht und Bedürfnis eines jeden Menschen ist, unterstützt die DGfS eine Gesetzgebung, die sicherstellt, dass gehörlose Menschen in Deutschland in DGS ausgebildet werden und ihnen Dolmetscher in der Interaktion mit hörenden Menschen, die der Gebärden- sprache nicht mächtig sind, zur Verfügung gestellt werden. Wir fordern außerdem Bildungseinrichtungen aller Art auf, Möglichkeiten zum Erlernen von DGS zu schaffen, damit alle, die den regelmäßigen Austausch mit der Gehörlosengemeinschaft in Deutschland pflegen, DGS erlernen und erforschen können. Des Weiteren regen wir die Unterstützung einschlägiger Forschung durch die Schaffung von Studienprogrammen für Linguisten/innen, Dolmetscher/innen und Lehrende der DGS sowie für alle anderen mit einem besonderen Interesse an Gebärdensprachen und der Gebärdensprachforschung an.
Für die Deutsche Gesellschaft für Sprachwissenschaft (DGfS)
- Prof. Dr. Dany Adone (Köln)
- Prof. Dr. Christian Rathmann (Hamburg)
- Prof. Dr. Markus Steinbach (Göttingen)
1 Der Text folgt in weiten Teilen der Resolution der Linguistic Society of America (LSA) von 1. Juli 2001