Wie funktionieren eigentlich Gebärdensprachen?

Oder: Wie man mit den Händen spricht

Wenn sich taube Menschen untereinander verständigen, sind Finger, Hände, Oberkörper und Mimik im Dauereinsatz. Dabei werden Fragen, Aufforderungen oder Wünsche artikuliert – genau wie bei hörenden Menschen mit den Lippen, der Zunge und den Stimmbändern. Den meisten Hörenden bleibt diese „stille“ Gebärdenwelt jedoch leider verschlossen, da sie keine Gebärdensprachen verstehen. Es ist wissenschaftlich eindeutig belegt, dass Gebärdensprachen vollwertige natürliche menschliche Sprachen sind, die über ein komplexes grammatisches System verfügen, das der Grammatik von Lautsprachen in nichts nachsteht. Gebärdensprachen sind optimale Kommunikationssysteme, mit denen sich über alles ‚sprechen‘ lässt. Taube Menschen haben damit eine eigene Muttersprache. Zudem kennen sie normalerweise auch die Lautsprache, die in ihrem Land gesprochen wird. Daher sind sie definitiv nicht taubstumm, sondern meistens sogar mehrsprachig. Was also wissen wir mittlerweile alles über Gebärdensprachen?

  • Gebärden- und Lautsprachen erscheinen vermutlich nur deshalb so grundverschieden, weil sie so unterschiedlich produziert und wahrgenommen werden: Gebärdensprachen werden mit den Händen, mit dem Gesicht, sowie mit Kopf- und Körperhaltungen produziert und vom Gegenüber visuell wahrgenommen. Gesprochene Sprachen hingegen werden mit dem Kehlkopf, den Lippen, der Zunge usw. gebildet und vom Gegenüber auditiv wahrgenommen.
  • Ganz wichtig ist aber, dass die beiden Sprachsysteme sich in anderer Hinsicht kaum unterscheiden: Sie zeigen vergleichbare grammatische Strukturen, werden auf ähnliche Weise verarbeitet und haben dieselben neurokognitiven Grundlagen.
  • Zwei Annahmen über Gebärdensprache sind noch immer weit verbreitet: Zum einen die Idee, dass es eine internationale und damit für alle tauben Menschen einheitliche Gebärdensprache gebe; und zum anderen die Annahme, dass eine Gebärdensprache viele Gemeinsamkeiten mit der sie umgebenden Lautsprache aufweise – dass also zum Beispiel die Deutsche Gebärdensprache (DGS) gebärdetes Deutsch sei. Dass beide Aussagen in direktem Widerspruch zueinander stehen, ist vielen zunächst nicht bewusst. Die Forschung der letzten Jahre hat beide Vorurteile widerlegt: Gebärdensprachen sind nicht international – es gibt sogar unterschiedliche Dialekte innerhalb einer Gebärdensprache – und sie haben nur wenig mit den Lautsprachen gemeinsam, die im selben Land gesprochen werden.

Für die Gemeinschaft tauber Menschen haben Gebärdensprachen einen besonderen kulturellen Wert. Sie sind ihre natürlichen Muttersprachen, in denen sie sich Geschichten und Witze erzählen, über Politik oder Fußball streiten oder Gedichte und Lieder vortragen – ja, es gibt auch Gebärdensprachchöre! Darüber hinaus werden Gebärdensprachen auch von sogenannten CODAs (Children Of Deaf Adults), vielen Schwerhörigen, Dolmetscher(inne)n, Linguist(inn)en, Pädagog(inn)en und von hörenden Eltern tauber Kindern verwendet.

Eine Stellungnahme der DGfS zu den Gebärdensprachen finden Sie hier

Vielleicht haben Sie auch Interesse am Besuch eines Gebärdensprachkurses? Einführungen in die Deutsche Gebärdensprache (DGS) werden in Deutschland mittlerweile in jeder größeren Stadt angeboten. Oder möchten Sie ganz allgemein mehr über Gebärdensprachen erfahren? Bitte sprechen Sie uns an: pressesprecher@dgfs.de oder sign.language@phil.uni-goettingen.de