AG 8: Normalität in der Sprache

AG-Koordination

Franz d'Avis (U Mainz) & Horst Lohnstein (U Wuppertal)

Abstract

Das Konzept der Normalität spielt in vielen Bereichen der Sprache eine zentrale Rolle. Ein möglicher Grund dafür ist, dass Annahmen über Normalität – Normalerwartungen oder Normalvorstellungen – die Komplexität sprachlichen Handelns reduzieren und damit Kommunikation vereinfachen bzw. erst ermöglichen: Bestimmte Ereignisse sind erwartbarer als andere, sie „verstehen sich von selbst“ und müssen nicht sprachlich verhandelt werden. Unter Bezug auf Konzepte wie Default, Salienz, Präferenz, Common Ground, Stereotyp, Prototyp oder Frame, die alle in unterschiedlicher Form auf die Kategorie der Normalität rekurrieren, wurden Phänomene der Syntax (z.B. normale Wortfolge, Default-Reihenfolge bei Argument Linking), der Semantik (z.B. generische Sätze, präferierte Lesarten) und der Pragmatik (z.B. Implikaturen, Frage-Antwort-Paare, Normalkontext) zu erfassen versucht. Trotzdem gibt es bisher keine kohärente linguistische Theorie der Normalität. Z.B. nutzt man ein Konzept von Default für die Analyse von skalaren Impikaturen (Einige Schüler waren pünktlich. +> Nicht alle Schüler waren pünktlich.). Neo-Grice’sche Analysen gehen davon aus, dass die Implikatur ‚nicht alle‘ normalerweise, d.h. in Abwesenheit von speziellen Umständen, mit dem Ausdruck einige assoziiert wird. Geurts (2010:93) weist nun allerdings darauf hin, dass „authors who claim that implicatures are defaults […] almost never endeavour to explain why”. Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl sprachlicher Ausdruckstypen, bei deren Analyse man vermutlich auf ein Konzept von Normalerwartungen von Sprecher und/oder Hörer zugreifen muss, z.B. konzessive Konstruktionen, Exklamative. Solche Ausdruckstypen werfen die Frage auf, welchen Status Normalerwartungen von Sprechern in einer linguistischen Theorie haben sollen. Ziel der AG ist es, Linguist/inn/en zusammenzuführen, die sich aus verschiedenen Perspektiven mit Phänomenen linguistischer Normalität und Normalerwartung beschäftigen, um so die vorhandene Forschung in diesem Bereich zu bündeln und neue Perspektiven zu eröffnen. Mögliche Fragestellungen der AG sind:

  • Was ist Normalität in der Sprache?
  • In welchen Typen von Konstruktionen ist Normalität sprachlich kodiert?
  • Wie wird Normalität sprachlich etabliert?
  • Was sind normale Äußerungen (Antworten, Fragen, …)?
  • Wie viel Abweichung verträgt die Normalität?
  • Welche Rolle spielt der Kontext für die Etablierung von Normalitätserwartungen?
  • Was ist der Zusammenhang zwischen Normalität und Norm?

Der angesprochene Interessentenkreis kommt aus Semantik, Pragmatik, Psycholinguistik und Sprachphilosophie.

Referenz

Geurts (2010): Quantity Implicatures. Cambridge: Cambridge University Press.

Programm

  4.3.2015    
  14:00 Franz d’Avis (Mainz)  
    Einführung  
  14:30 Franziska Buchmann & Nanna Fuhrhop (Oldenburg)  
    Was ist normal in der Fremdwortschreibung?  
  15:30 Holden Härtl (Kassel)  
    Compounding as deviation from default: A pragmatic perspective  
  16:00 Pause  
  16:30 Julia Kolkmann (Manchester)  
    English pre-nominal possessives as an instance of default interpretations: a pragmatic re-analysis.  
  17:30 Eva Breindl (Erlangen-Nürnberg)  
    Konnexion bei Muttersprachlern und bei Lernern des Deutschen als Fremdsprache: Sprachspezifische und übereinzelsprachliche Präferenzen  
  5.3.2015    
  9:00 Sonja Müller (Bielefeld)  
    Normalität im Diskurs – Implikationsverstärkung in (halt eben-/eben halt-) Assertionen  
  10:00 Maria Mushchinina  
    Zur passiven und aktiven Realisierung von Normvorstellungen bei Fachleuten  
  11:00 Pause  
  11:30 Frederike Eggs (Hamburg)  
    Das indefinite Personalpronomen man  
  12:30 Sven Müller (Mainz)  
    Konzessivität, Normalvorstellungen und Commitment  
  6.3.2015    
  11:30 Daniel Gutzmann (Frankfurt) & Katharina Turgay (Landau)  
    Normalexklamationen – normal!  
  12:30 Olav Mueller-Reichau (Leipzig)  
    Normal, but not too normal: Event properties in Russian existential imperfectives  
  13:30 Schlussdiskussion  
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