Thema
Gutes und richtiges Deutsch
Man kennt das Problem im Alltag, im Gespräch mit Freunden oder Kollegen: Wie heißt es denn nun eigentlich richtig? Auch aus der Schule ist uns das Thema „richtiges Deutsch“ in (nicht immer guter) Erinnerung geblieben: So spricht man nicht! Das sagt man nicht! Aber was ist denn eigentlich „richtiges Deutsch“ und was ist „falsches Deutsch“?
- In sprachlichen Zweifelsfällen gilt in Deutschland der Duden als maßgebend: Kann man sich bezüglich einer grammatischen Wendung oder einer bestimmten Aussprache auf den Duden berufen, so kann diese sprachliche Form als untadelig gelten.
- Die Autorität des Duden hat sich in der Vergangenheit für viele Zwecke zudem ausgezeichnet bewährt: Für den Schriftverkehr und auch im Sprachunterricht ist der Duden eine verlässliche Instanz.
Warum dann also nicht alle sprachlichen Fragen per Dudengrammatik entscheiden? Es gibt gleich mehrere Gründe, warum dies nicht möglich ist:
- Wie alle „deskriptiven“ (also: beschreibenden) Grammatiken ist der Duden keine vollständige Beschreibung aller sprachlichen Phänomene – manche Aspekte der Grammatik werden auch in diesem umfassenden Standardwerk gar nicht thematisiert! Zu manchen Fragen gibt der Duden demnach keine Auskunft.
- Zudem muss man auch fragen, wer sich denn überhaupt an die Regeln hält, die im Duden zu finden sind. Dies ist für die Aussprache schon dann nicht der Fall, wenn ein Sprecher zum Beispiel einen Dialekt spricht: Einen Rheinländer wird man wohl kaum mit einem Bayern verwechseln, einen Hamburger nicht mit einem Sachsen - und die „standarddeutsche Hochlautung“ verwendet keiner dieser Dialektsprecher. Aber wer spricht denn dann "Dudendeutsch"?
- Obwohl manche Dialekte und manche Sprecher in bestimmter Hinsicht den Vorgaben des Dudens durchaus nahe kommen, muss man feststellen: Das Deutsch des Dudens ist nur ein Idealbild, dem kein Sprecher vollständig entspricht. Selbst Nachrichtensprecher, die darin ausgebildet sind, standardkonformes Hochdeutsch zu sprechen, weichen von der im Duden festgelegten Aussprache häufig ab. Die überraschende Wahrheit ist also: Niemand spricht „Dudendeutsch“!
- Die deutsche Sprache verändert sich zudem stetig: Auch in der geschriebenen Sprache entstehen immer wieder Neuschöpfungen, die der Duden (noch) nicht beschreibt. Sie allesamt als „schlecht“ oder gar „falsch“ zu bezeichnen ist unsinnig – denn viele dieser Veränderungen werden in nachfolgende Dudenausgaben als „richtig“ aufgenommen!
Wer wollte nun also von sich behaupten wollen, im Vorhinein entscheiden zu können, welche sprachlichen Neuschöpfungen sich zukünftig durchsetzen werden? Und wer wollte so verbohrt sein, die regionalen Eigenheiten von Sprechern zu tadeln - oder die vielfältigen und interessanten Facetten der deutschen Dialekte zu bewerten? Auf den Duden sollten sich solch selbsternannte Oberlehrer wohlgemerkt besser nicht berufen - im Vorwort des Dudens heißt es nämlich: Das grammatische Bild, dass der Duden vermittelt „ist nicht einheitlich aufgebaut, es ist nur ein systemähnliches Gebilde mit geschichtlichen, landschaftlichen und sozialen Varianten."
Möchten Sie mehr über die deutschen Dialekte und Soziolekte, seine Register und Varianten und ihr Verhältnis zum Standarddeutschen erfahren - und zwar ganz ohne erhobenen Zeigefinger?