Montag, 12. August 2024

Die DGfS trauert um Prof. Dr. Dr. hc. Manfred Bierwisch

Die Deutsche Gesellschaft für Sprachwissenschaft trauert um Manfred Bierwisch, der in der Nacht auf den 2. August 2024 im Alter von 94 Jahren verstorben ist. Manfred Bierwisch war langjähriges Mitglied der DGfS und 2012 der erste Preisträger des Wilhelm-von-Humboldt-Lebenswerk-Preises der Deutschen Gesellschaft für Sprachwissenschaft. Manfred Bierwisch war ein Wissenschaftler, der die internationale Linguistik wesentlich geprägt hat. Er wird der Linguistik, nicht nur in Deutschland, sehr fehlen.

Manfred Bierwisch promovierte 1961 in Leipzig und war an der Akademie der Wissenschaften der DDR in Berlin zunächst Mitarbeiter in der Arbeitsgruppe „Strukturelle Grammatik“ (1962-1973), dann Mitarbeiter des Zentralinstituts Sprachwissenschaft (1973-1980), aus dem das heutige Leibniz-Zentrums Allgemeine Sprachwissenschaft Berlin hervorgegangen ist, und schließlich Leiter der Forschungsgruppe „Kognitive Linguistik“ am Zentralinstitut (1981-1991). Nach der Auflösung der Akademie der Wissenschaften der DDR wurde Bierwisch 1992 von der Max-Planck-Gesellschaft die Leitung einer neuen Arbeitsgruppe „Strukturelle Grammatik“ übertragen. Diese war fünf Jahre an der Humboldt-Universität zu Berlin ansässig. 1993 wurde Manfred Bierwisch zum Professor an die Humboldt-Universität berufen. Auch nach seiner Pensionierung blieb er aktiv in der Forschung tätig.

Bierwischs Arbeiten, beginnend mit seiner Dissertation zur Morphologie des deutschen Verbalsystems, haben ganz zentrale Beiträge zur modernen Sprachwissenschaft gemacht. Schon seine Monographie zur deutschen Verbalsyntax, welche auf die Dissertation aufbaute, wurde weit über die Grenzen der DDR hinaus rezipiert, da sie zukunftsweisende Erkenntnisse vorlegte. Unter schwierigen Umständen entstanden an der Akademie der Wissenschaften viele weitere, sehr vielfältige Werke, die in Westdeutschland und darüber hinaus großen Einfluss gewannen, wie zum Beispiel der Kursbuch-Artikel zum Strukturalismus und Beiträge zur Phonologie, Prosodie und Morphologie des Deutschen. Schon früh hat Manfred Bierwisch auch der Bedeutungsforschung wesentliche Impulse gegeben. So hat die Entwicklung des Modells der Zwei-Ebenen-Semantik wesentlich zu unserem Verständnis der metaphorischen und metonymischen Sprachverwendung und der Bedeutung von Adjektiven, von Präpositionen und von Vergleichskonstruktionen beigetragen. Manfred Bierwisch hat darüber hinaus zur Theorie der Sprechakte publiziert sowie zur Psycholinguistik. Er hat die Beziehung von Sprachstruktur und Musik untersucht und sich mit Sprache und Poesie befasst. 

Unter dem folgenden Link ist eine ausführliche Würdigung Manfred Bierwischs anlässlich der Verleihung des Wilhelm-von-Humboldt-Lebenswerk-Preises im Jahre 2012 mit der Laudatio von Manfred Krifka (Direktor des Leibniz-Zentrums Allgemeine Sprachwissenschaft Berlin 2001-2022) abrufbar: https://dgfs.de/assets/content/Bilder/WvHP/wvhp-laudatio-bierwisch.pdf

Unter dem folgenden Link ist ein ausführliches Interview mit Manfred Bierwisch aus dem Jahr 2020 abrufbar, welches mit Unterstützung der DGfS entstanden ist: https://www.youtube.com/watch?v=0-720jombB0&t=6s