Auf dieser Seite finden Sie die bisherigen Preisträger des Wilhelm von Humboldt-Preises für Nachwuchsarbeiten in umgekehrter chronologischer Reihenfolge.

In Jahr 2024 konnte die DGfS gleich zwei Preisträgerinnen des Wilhelm von Humboldt-Preises für den wissenschaftlichen Nachwuchs bekanntgeben.

  • Aleksandra Ćwiek (ZAS/Humboldt Universität zu Berlin)
  • Semra Kizilkaya (Universität zu Köln, inzwischen Universität Bielefeld)

Während die klassische Sprachwissenschaft die Arbitrarität der menschlichen Sprache betont, gibt es ein verstärktes Interesse an der Ikonizität von Zeichen, also ihre Motiviertheit durch das Bezeichnete. In ihrer Dissertation untersucht Aleksandra Ćwiek unterschiedliche Aspekte der Ikonizität mit korpuslinguistischen und experimentellen Methoden auf verschiedenen linguistischen Ebenen: in Texten deutscher Kinderbücher, die wortmalerische Ausdrücke verwenden; in Lautmalereien der Phantasienamen von Pokémon-Figuren und im Zusammenspiel von Zeigegesten im vertikalen Raum und der Tonhöhe gesprochener Sprache. Ihre Arbeit ist sehr anschaulich und spannend geschrieben. Über ihre Dissertation hinaus hat Aleksandra Ćwiek unter anderem als Erstautorin in einer großen Studie, Ikonizität in 28 Sprachen nachgewiesen. Diese Studie hat ein sehr großes Echo in internationalen Medien gefunden. Ihre Arbeit verdient den Wilhelm von Humboldt Preis für die kreativen Forschungsideen, das rigorose methodisches Umsetzen dieser Ideen, die Präzision in der Analyse und ihre Art, andere für ein kontroverses Forschungsgebiet zu begeistern.

Semra Kizilkaya hat in ihrer Dissertation den häufig gebrauchten, theoretisch aber undurchsichtigen Begriff der „Affiziertheit“ (affectedness) detailliert bearbeitet und ihm eine eigenständig entwickelte und zukunftsweisende Definition gegeben. Danach ist Affiziertheit ein dynamisches Ereignis, das in drei unterschiedliche Teilereignisse konzeptualisiert werden kann: In ein kausales, ein prozedurales und ein resultatives Ereignis. Diese Konzeptualisierung bettet sie geschickt in ein formales syntaktisches Modell ein, das ihr erlaubt, klare Voraussagen zu machen. So testet sie in zwei hervorragend geplanten und durchgeführten Experimenten die Bedingungen für Differentielle Objektmarkierung (DOM) im Türkischen und zeigt damit auf exzellente Weise, wie typologische Beobachtungen, theoretische Modellierung und experimentelle Anwendung zu einem beeindruckenden Fortschritt in unserem Verständnis von grundlegenden linguistischen Kategorien, wie Affiziertheit, führen können.

In Jahr 2023 konnte die DGfS gleich zwei Preisträgerinnen des Wilhelm von Humboldt-Preises für den wissenschaftlichen Nachwuchs bekanntgeben. 

Die Arbeit von Maria Bardají i Farré behandelt Formen und Funktionen der Nominalisierung in der westaustronesischen Sprache Totoli. Sie besticht durch die ungewöhnliche Kombination herausragender Feld‐ und Korpusarbeit mit herausragender theoretischer und typologischer Diskussion und Analyse. Dabei war praktisch alles von Grund auf neu zu entdecken und zu erarbeiten, da weder für Totoli noch die Nachbarsprachen Be-schreibungen und Modelle von Nominalisierungskonstruktionen vorlagen. Die Arbeit verdient den Wilhelm von Humboldt‐Preis, weil sie mutig und innovativ ist und unsere Kenntnis und unser Verständnis von Sprachen und Sprache substanziell erweitert.

Die Dissertation von Aikaterini Lida Kalouli bearbeitet aktuelle Fragestellungen im Bereich des Natural Language Understanding (NLU) und widmet sich vor allem dem Problem, wie Maschinen zum logischen Schließen gebracht werden können, also dem Natural Language Inferencing (NLI). Die aktuelle Forschung zeigt, dass moderne Sprachmodelle zwar breites Weltwissen indirekt sehr gut abbilden können, jedoch am tatsächlichen Problem der logischen Schlussfolgerungen weiterhin scheitern. Frau Kalouli erarbeitet in ihrer Dissertation einen wegweisenden hybriden Ansatz, in dem sie einen eigenen neuen, regelbasierten semantischen Parser erstellt und diese Methoden aus der klassischen KI erfolgreich mit einem gängigen Sprachmodell kombiniert. Das hybride System liefert kompetitive Resultate und zeugt dabei von einer Kombination an Wissen und Fähigkeiten, die in der Welt des maschinellen Lernens rar geworden ist, nämlich eine Zusammenführung tiefen linguistischen Wissens einerseits und versierter mathematischer und Programmierfähigkeiten andererseits.  Diese werden von Frau Kalouli in vorbildhafter und zukunftsweisender Art kombiniert.

2022

Katja Laptieva (Universität Mannheim) untersucht in ihrer sehr klar strukturierten und tiefgründigen Dissertation mit dem Titel “Wenn Argumente keine Argumente sind. Eine korpusbasierte Modifikatoranalyse der atelischen an-Konstruktion” die atelische an-Konstruktion im Deutschen. Die Arbeit zeigt in vorbildlicher Weise, wie klug erhobene quantitative Daten zunächst vermeintliche empirische Gewissheiten umstoßen und dann weit über deskriptive Generalisierungen hinaus zu einer neuen, erklärenden – hier formalsemantischen – Theorie eines häufig untersuchten Phänomens genutzt werden können. Dabei ist die Arbeit spannend zu lesen, reizt aufgrund ihrer Explizitheit zu Widersprüchen und eröffnet eine Vielzahl weiterführender Forschungsfragen. 

2021

Tyll Robin Lemke (Universität des Saarlandes) verknüpft in seiner Dissertation Experimental investigations on the syntax and usage of fragments in überzeugender Weise grammatiktheoretische Expertise mit Akzeptabilitätsstudien.

In origineller Weise werden Informationsstruktur und Informationsdichte konfrontiert, um theoretische Ansätze zu Fragmenten und  zu validieren.

Besonders hervorzuheben sind nach Ansicht der Jury die Ausführungen zum Gebrauch von Ellipsen im Deutschen, deren Unterfütterung mit einschlägigen Experimenten und die Motivierung durch informationstheoretische Aspekte.

2020

Merle Weicker (Goethe-Universität Frankfurt am Main) verbindet in ihrer Dissertation „The role of semantic complexity for the acquisition of adjectives“  auf besonders originelle Weise semantische Theorie mit Untersuchungen zum lexikalischen Spracherwerb verbindet.

Wegweisend erscheinen insbesondere Weickers Ausarbeitung einer semantischen Komplexitätshierarchie für Adjektive, die Überprüfung der Vorhersagekraft dieser Hierarchie anhand der beobachteten Erwerbsreihenfolge von Adjektiven und ihr sorgfältiger Abgleich mit den Frequenzen dieser Adjektive im sprachlichen Input des Kindes

2019

Tanja Ackermann (Freie Universität Berlin) hat sich in ihrer Dissertation mit der Grammatik der Personennamen im Deutschen beschäftigt.

In bemerkenswerter Weise gelingt es ihr, Synchronie und Diachronie sowie Korpusstudien und psycholinguistische Experimente miteinander zu verknüpfen und so zu einer Reihe wirklich innovativer Einsichten zu gelangen.

 

Beeindruckt hat die Arbeit von Tanja Ackermann außerdem durch die Fülle an empirischen Erkenntnissen und deren theoretischer Interpretation.

2018

Nina-Kristin Pendzich leistet in ihrer Dissertation "Lexical Nonmanuals in German Sign Language: An empirical and theoretical investigation" einen wichtigen Beitrag zum Verständnis nichtmanueller Komponenten für die Grammatik von Gebärdensprachen.

Neben dem Erkenntnisgewinn auf der theoretischen Ebene besticht die Dissertation auch methodisch: Sie setzt neue Maßstäbe für die Durchführung, Auswertung und Implementierung empirischer Studien in der Gebärdensprachlinguistik.

 

2017

Frau Dr. Tina Bögel erhält den Nachwuchspreis für ihre Doktorarbeit "The Syntax-Prosody
Interface in Lexical Functional Grammar".

Die Arbeit entwickelt ein Modell der Prosodie-Syntax-Schnittstelle, das Fälle fehlender Übereinstimmung zwischen syntaktischer und
prosodischer Gliederung überzeugend erfassen kann.

Das Werk ist beispielhaft in seiner Verknüpfung von innovativer Modellierung und bestechender empirischer Analyse.

2016

Herr Dr. Manuel Križ erhält den Nachwuchspreis für seine Doktorarbeit zum Thema "Aspects Of Homogeneity In The Semantics Of Natural Language". 

Diese Doktorarbeit entwickelt eine überzeugende Lösung für ein klassisches Problem der Semantik und wendet diese auf neue Phänomenbereiche an. Der große Erkenntnisgewinn, Originalität, formale Präzision und sehr gute Lesbarkeit machen diese Arbeit zu einem hervorragenden Beispiel gelungener sprachwissenschaftlicher Forschung

2015

Frau Dr. Uta Reinöhl erhält den Nachwuchspreis für ihre Doktorarbeit zum Thema "Grammaticization and Configurationality – The Emergence of Postpositional Phrases in Indo-Aryan".

Die Dissertation von Uta Reinöhl verbindet in kluger Weise die Methoden und Begriffe aktueller Sprachwissenschaft mit der faszinierenden Frage nach den ältesten  Ursprüngen der indo-arischen Sprachen.

Über das fachliche Ergebnis hinaus — eine neue These zum Ursprung der Postpositionen — illustriert die Autorin, wie mit den präzisen Werkzeugen der modernen Grammatiktheorie Sprachwandelprozesse über lange Zeiträume und Sprachfamilien adäquat erforscht und neue Erkenntnisse gewonnen werden können. 

2014

Herr Dr. Daniel Gutzmann erhält den Nachwuchspreis für seine Dissertation zum Thema "Use-conditional meaning: Studies in multidimensional semantics".

Seine Arbeit präsentiert eine neue Sichtweise auf Eigenschaften der Bedeutung von Sprache: Sie zeigt, dass Untersuchungen sprachlicher Bedeutungen die wörtlichen Bedeutungen von sprachlichen Ausdrücken, gleichzeitig aber auch stets die Bedingungen für Äußerungen in bestimmten Kontexten betrachten müssen.

Daniel Gutzmann schlägt in seiner Arbeit zudem eine Theorie vor, die genau diese Integration zu leisten vermag. 

2013

Herr Dr. Sebastian Bücking erhielt einen Preis für seine Doktorarbeit "Kompositional flexibel - Partizipanten und Modifikatoren in der Nominaldomäne". 

Die Arbeit verbindet in detailierter Form die Annahmen formaler Syntaxtheorie und der formalen Semantik im Bereich der Nominaldomäne, und führt sie in klarer Weise in einer Analyse  zusammen. 

2012

Im Jahre 2012 konnten gleich zwei Preise für Nachwuchsarbeiten vergeben werden:

Frau Dr. Diana Forker erhielt einen Preis für ihre Doktorarbeit, "A Grammar of Hinuq". Diese Arbeit stellt die Grammatik einer bisher noch wenig beschriebenen Sprache in hervorragender Weise, überaus detailliert und umfassend, dar. Sie ist daher vorbildhaft für die linguistische Feldforschung. 

Frau Dr. Annika Herrmann erhielt einen Preis für ihre Doktorarbeit: "Modal Particles and Focus Particles in Sign Languages: A Cross-Linguistic Study of DGS, NGT and ISL". Diese Arbeit stellt in hervorragender Weise dar, wie verschiedene Gebärdensprachen im Vergleich zu Lautsprachen von Modal- und Fokuspartikeln Gebrauch machen. Mit ihrer empirischen Grundlegung und ihren theoretischen Folgerungen ist diese Arbeit vorbildhaft für die linguistische Theoriebildung.

Die Preisträgerinnen Diana Forker (ganz rechts) und Annika Hermann (2. von rechts) bekommen den Preis vom ersten Vorsitzenden Jürgen Lenerz (3. von rechts) überreicht. Ganz links der Laudator Manfred Krifka (ganz links) daneben der Lebenswerkpreisträger Manfred Bierwisch (2. von links). 

(Von links nach rechts: Manfred Krifka, Manfred Bierwisch, Jürgen Lenerz, Annika Herrmann, Diana Forker)